Walter, Bruno

Transkription

Liebste Alma! Lass' Dich herzlich willkommen heissen an der Schwelle des biblischen Alters, in das Du nun eintrittst mit der Frische "jener Jugend, die uns nie entfliegt" - einer Jugend, an der sich so recht die Irrealität der Zeit erweist. Sie war Dir zuerteilt von "dem Gesetz, wonach Du angetreten" und in ihrem Klima sind Deine reichen und vielfältigen Gaben erblüht und zur Reife gediehen. Und nun begleitet Dich diese Jugend treu in die Siebzigjährigkeit. Unverloren für die Zukunft wie diese Dir eigene Lebendigkeit des Herzens bleibt Dir auch der reiche Ertrag, den Dir eine wahre Fülle menschlicher Bindungen gebracht hat - über und vor allem jene hohen Bindungen des Herzens, die Dein äusseres und inneres Schicksal bestimmt haben. Der Glanz, der sich aus solch' vollem Erleben über Dein Dasein ergossen hat, kann so wenig daraus entschwinden wie die Jugend aus Deinem Herzen. Dich begleiten in die neue Epoche dieser hochgesegneten Existenz die innigsten Wünsche Deines Lebensfreundes Bruno Walter

 

Kurzbiographie

Bruno Walter (früher: Bruno Walter Schlesinger) wurde 1876 in Berlin geboren. Er war schon früh als Dirigent tätig und arbeitete unter anderem unter Gustav Mahler an der Wiener Hofoper. Nach diversen Engagements in Europa und den USA wurde ihm 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft die Fortführung seiner Arbeit in Deutschland untersagt. Bruno Walter wurde daraufhin in Österreich und Frankreich tätig, bis er 1939 in die USA emigrierte, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1962 in Kalifornien lebte. Bekannt ist der Dirigent vor allem für seine Interpretationen der Werke Mozarts und Mahlers.

 

Bruno Walter und Alma Mahler-Werfel

Mit Bruno Walter war Alma Mahler-Werfel schon in ihrer Ehe mit Gustav Mahler bekannt. Walter war 1901 aus Berlin an die Wiener Hofoper gekommen, um Assistent Gustav Mahlers zu werden . Daraus entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die Alma auch als Konkurrenz zu ihrem Verhältnis mit Mahler empfand: "Bruno Walter ist da. Gustav Mahler spielt ihm seine 5. Symphonie vor. Er läßt Bruno Walter in seine Seele schauen. Bis jetzt hatte mir das Werk allein gehört! [ ] und jetzt gehört es den anderen Menschen! Bruno Walter ist der einzige, dem ich die Mitwisserschaft gönne. Und doch - ich ging aus dem Zimmer..." (Mahler-Werfel, Mein Leben, 37). Alma Mahler-Werfel selbst beschrieb die Beziehung zwischen Gustav Mahler und Bruno Walter am treffendsten. "Das menschliche und künstlerische Verhältnis des älteren Meisters zum jüngeren entwickelte sich von der ersten Stunde an zu einer kongenialen Freundschaft, die ein ganzes Leben lang ungetrübt andauerte. Walter hat den Künstler und sein Werk voll verstanden, und nach seinem Tode dient er mit seiner großen und idealen Kunst überall der Musik Mahlers, die er bis ins feinste Detail beherrscht und einzigartig zur Wirkung bringt. Den Geist dieses Werkes hat er zum Mittelpunkt seiner eigenen verkündenden Tätigkeit gemacht." (Mein Leben, 219f). Tatsächlich beschäftigte sich Walter sein Leben lang mit dem Menschen und Werk Mahlers, so verfaßte er eine Biographie Mahlers, die sich darauf konzentriert, was er mit Mahler erlebt hatte und wie er ihn sah (Walter, xi). 1939 emigrierte Bruno Walter in die USA, wo er sich in Kalifornien niederließ und am Bedford Drive direkter Nachbar der Werfels wurde. Besonders nach Franz Werfels Tod war Alma Mahler-Werfel froh über die Nähe des alten Freundes (Monson, 299), es entstanden sogar Gerüchte, daß die beiden heiraten würden, die Alma aber entsetzt zurückwies (Keegan, 298). Als bloßer Dirigent hatte Bruno Walter in Almas Augen nicht das Format, "um in die Fußstapfen der kreativen Genies zu treten", mit denen sie ihr Leben verbracht hatte (Keegan, 298).

 

Links

Feuchtwanger Memorial Library: Exiled German Intellectuals in Los Angeles

handwritten letter from Bruno Walter

Bruno Walter