Kokoschka, Oskar

Transkription

Meine liebe Alma,
du wirst verstehen, daß ich den 31. August 1949 in meiner besonderen Weise mitfeiere. Was wir beide voneinander wissen, ist ein Ereignis in der Zeit einmalig und doch Immer wieder sich vollziehend und stete Gegenwart bleibend. Gemäß der Einsicht nach welcher Göttliches, ewiges Sein sich mit Werden begegnet, hebt sich mir die Spanne Zeit, die wir mit- einander verlebten wie ein Mythos deutlich ab von den Ereignissen innerhalb der historischen Zeit, in welcher Weltkriege, Katastrophen aller Art die Gesellschaft vom Grund aufwühlten. Überwunden hast du und ich dieses - unser Fortleben erweise sich im Werden!
So Alma grüßt Oskar Kokoschka dich zum 31. August 49

handwritten letter from Oskar Kokoschka

Oskar Kokoschka
​ (1886-1980)

Kurzbiographie

Oskar Kokoschka erblickte am 1. März 1886 in Pöchlarn bei Melk, Niederösterreich, als Sohn von Gustav Kokoschka (1840-1923) und dessen Frau Maria Romana Loidl (1861-1934) das Licht der Welt. Kurz nach seiner Geburt zog die Familie nach Wien, wo Kokoschka aufwuchs. Schon während des Besuchs der Realschule in Wien fertigte er erste Zeichnungen und er erhielt ein Stipendium für die Wiener Schule der Angewandten Kunst. In den Jahren 1907 bis 1909 arbeitete er für die Wiener Werkstätte, er ist mit dem Karl Kraus und dem Architekten Adolf Loos, der ihn finanziell unterstützte, befreundet. Neben Ausstellungen und Auftritten im Kabaret, entwarf er das Plakat für die wichtigste expressionistische Zeitschrift "Der Sturm", die auch sein Theaterstück "Mörder, Hoffnung der Frauen" veröffentlichte. Von Berlin kehrte er 1911 nach Wien zurück und stellte in den folgenden Jahren in ganz Europa aus. 1912 begann seine Beziehung zu Alma Mahler; nach deren Scheitern meldet er sich 1914 freiwillig für den Kriegsdienst. Nach schweren Kriegsverletzungen erholt sich Kokoschka in Dresden, wo er 1919 Professor an der Kunstakademie wird. Zwischen 1923 und 1929 reiste Kokoschka durch Europa und Nordafrika, nur unterbrochen durch Zwischenstationen in Paris, wo er - abwechselnd mit Wien - in den nächsten Jahren lebte. Kokoschkas Kunstwerke wurden 1937 als entartete Kunst zensiert oder zerstört, im Jahr darauf emigrierte Kokoschka mit seiner späteren Frau Olda Palkovská nach Großbritannien. Dort engagierte er sich für Kriegsopfer und wurde 1947 britischer Staatsbürger. In den folgenden Jahren stellte Oskar Kokoschka in Europa aus, arbeitete als Gastprofessor in den USA und entwarf Bühnenbilder und Kostüme für Produktionen am Burgtheater in Wien. Bis zu seinem Lebensende am 22. Februar 1980 in Montreux schuf Kokoschka Kunstwerke, die in aller Welt bekannt sind. Er war einer der wichtigsten expressionistischen Maler des 20. Jahrhunderts.

Oskar Kokoschka und Alma Mahler-Werfel

Oskar Kokoschka und Alma Mahler trafen sich zum ersten Mal im April 1912 im Haus von Carl Moll, Almas Stiefvater, der Kokoschka schon vorher gekannt hatte. Ein Jahr nach Gustav Mahlers Tod wollte Alma sich von dem jungen Künstler, der in der Wiener Kunstszene so viel Aufregung verursachte, portraitieren lassen und man bat ihn zum Diner. Die Begegnung mit Alma Mahler muß großen Eindruck auf Oskar Kokoschka hinterlassen haben. Am selben Abend noch verfaßte er seinen ersten Brief an sie, in dem er sie bat, seine Frau zu werden, was nie geschehen sollte (Mahler-Werfel, Mein Leben 56f). Stattdessen entwickelte sich eine sehr intensive Liebesbeziehung zwischen den beiden. Alma Mahlers Memoiren zufolge verbrachten sie wohl die meiste Zeit miteinander. Kokoschka schuf Kunstwerke für Alma - wie zum Beispiel eine Serie von sieben Fächern -, von Alma, zum Beispiel ein Portrait - inspiriert von Leonardo da Vincis Mona Lisa - und von beiden, wovon das berühmteste wohl "Die Windsbraut" ist. Ihre Beziehung war jedoch schwierig. "Die drei folgenden Jahre mit ihm waren ein einziger heftiger Liebeskampf. Niemals zuvor habe ich soviel Krampf, soviel Hölle, soviel Paradies gekostet.", schreibt Alma Mahler-Werfel in ihrer Autobiographie (58). Sie wollte Kokoschka nicht heiraten, sein Kind nicht zur Welt bringen. Wohl auch durch Kokoschkas Eifersucht - vor allem auf Almas verstorbenen Ehemann - entwickelte sich die Beziehung auseinander, oder besser, ging zumindest Alma Mahler auf Distanz. Sie fuhr mit einer Freundin und ihrer Tochter auf Urlaub und traf Walter Gropius, mit dem sie schon während eines gemeinsamen Kuraufenthalts zu Mahlers Lebzeiten nähere Bekanntschaft geschlossen hatte, in Berlin. Nachdem Kokoschka Alma Mahler nicht zurückgewinnen konnte, meldete er sich freiwillig für den Kriegsdienst. "Er schreibt oft und weiß nicht, wie sehr ich mich von ihm weggezaubert habe" (Mahler-Werfel, Mein Leben, 75). Auf das Gerücht, Oskar Kokoschka sei gefallen, holt sich Alma Mahler alle ihre Briefe an ihn und dazu einige Zeichnungen aus seinem Atelier. Im Mai 1915 erklärt Alma Mahler-Werfel ihre Beziehung für endgültig abgeschlossen, "Oskar Kokoschka ist mir abhanden gekommen. Ich finde ihn nicht mehr in mir. Er ist mir ein unersehnt Fremder geworden." (Mahler-Werfel, Mein Leben, 79). Drei Monate später heiratete Alma Mahler den Architekten Walter Gropius. Kokoschka konnte die Trennung nicht so leicht verkraften wie seine frühere Geliebte. Während seiner Professur in Dresden ließ er eine lebensgroße Puppe von Alma Mahler anfertigen, die er mit den besten Kleidern ausstattete und malte. Als Kokoschka über seine gescheiterte Beziehung zur echten Alma hinwegkam, zerstörte er auch die Puppe. Mit Oskar Kokoschka verband Alma Mahler-Werfel lebenslange Gemeinsamkeiten und Erinnerungen, die auch im Brief Kokoschkas zu Almas 70. Geburtstag dokumentiert werden.

Links

Oskar-Kokoschka-Zentrum an der Universität für angewandte Kunst Wien