Kindheit und Jugend

Alma Maria Schindler wurde am 31. August 1879 als erstes Kind von Emil Schindler und Anna Bergen geboren. Mit ihrer Familie wuchs sie auf Schloß Plankenberg bei Wien auf. Durch ihren künstlerisch tätigen Vater angeregt, zeigte Alma Schindler schon früh Interesse für die schönen Künste, für Literatur, Malerei und vor allem für Musik.
 

Die Familie

Die Familie Alma Schindlers bestand aus dem Vater, dem Landschaftsmaler Emil Schindler, der Mutter, Anna Bergen, der Schwester Grete und Carl Moll, einem Schüler und Assistenten Emil Schindlers, der die Familie auf Reisen begleitete und später zweiter Ehemann Anna Bergens wurde.
 

Jakob Emil Schindler (1842 - 1892) war einer der berühmtesten Landschaftsmaler Österreichs. Er war in einer reichen Familie aufgewachsen, in der er sich um finanzielle Angelegenheiten nicht zu sorgen brauchte, doch auf sich allein gestellt, verbrachte er den größten Teil seines Lebens in Geldsorgen. In der Biographie von Susan Keegan wird er als die "lebende Verkörperung" des romantischen Ideals beschrieben (2) - für seine Tochter Alma war er Ritter ihrer Kindertage (vgl. Keegan, 1). Die beiden verband eine besondere Beziehung, seine Lieblingstochter Alma fühlte sich immer ernst genommen (Mahler-Werfel, 16) und durch ihr gemeinsames Interesse für das Künstlerische viel stärker mit ihm verbunden als mit ihrer Mutter. Als Emil Schindler mit 50 Jahren unerwartet starb, hinterließ er eine Tochter, die fühlte, "daß ich meinen Führer verloren hatte, meinen Leitstern - ohne daß es irgend jemand außer ihm selbst geahnt hatte" (Mahler-Werfel, 20), die auf der Suche nach einem neuen"heroic model" (Keegan, 17) war, dessen Position sich nicht von ihrer Mutter oder deren neuem Ehemann Carl Moll besetzen ließ.
 

Anna Schindler, geborene Bergen (-1938) stammte aus einer Hamburger Brauereifamilie. Sie kam nach dem Bankrott des elterlichen Betriebs nach Wien, um sich durch Singen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Schon kurz nach ihren ersten Engagements heiratete sie Emil Schindler und gab ihre musikalische Karriere auf. Daß auch ihre Mutter eine künstlerische Seite hatte, nahm Alma Schindler nie wahr - sie lehnte ihre Mutter als zu bürgerlich und zu vernünftig ab, auch wenn sie ihre praktischen Fähigkeiten schätzte (Mahler-Werfel, 17). Zudem war Alma Mahler-Werfel davon überzeugt, von ihrer Mutter nicht genug Liebe und Aufmerksamkeit erhalten zu haben - obwohl ihre Mutter ihr Zeit ihres Lebens emotional und praktisch zur Seite stand.
 

Die zwei Jahre jüngere Grete Schindler war, wie Alma Schindler erst spät von ihrer Mutter erfuhr, nur Almas Halbschwester. In Kindertagen verstanden sich die beiden noch gut, später jedoch hatten sie kaum noch etwas miteinander zu tun. In Alma Mahler-Werfels Autobiographie Mein Leben findet die "unselbständige jüngere Schwester" (28), die 1940 von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer Geisteskrankheit umgebracht wurde, kaum Erwähnung, Alma Mahler-Werfel beschäftigte sich nie stark mit dem Schicksal ihrer Schwester.
 

Carl Moll, Schüler und Assistent Emil Schindlers, verkehrte auf Schloß Plankenberg wie in seinem eigenen Haus und begleitete die Familie auf Reisen. Fünf Jahre nach dem Tode Emil Schindlers heiratete er die Witwe Anna Schindler. Alma Schindler schätzte ihre "sogenannte Familie" (Mahler-Werfel, 15) nicht besonders, Carl Molls Talent schien ihr zu gering (Mahler-Werfel, 15). Tatsächlich verlegte sich Carl Moll im Laufe der Zeit mehr auf die geschäftliche Seite der Kunst, statt diese zu produzieren.
 

Schloß Plankenberg

"Der Winter 1884 bringt die Erfüllung von Schindlers geheimsten, nie ausgesprochenen, kaum gedachten Wünschen: Jenseits des Wiener Waldes, zwischen Neulengbach und Tulln, steht in einem alten Park (fast der Garten seiner Träume) ein altes Schloß, zum Fürst Karl Liechtensteinschen Besitz Neulengbach als Ernteschloß gehörig. Ein zwei Stock hoher, von steilem Dach gekrönter rechteckiger Bau aus dem 15. Jahrhundert. Ein Zwiebelturm mit Uhr in barocker Form bildet den einzigen Schmuck der Front. Der zwei Joch große Park zeigt nur noch Spuren einer stilvollen Anlage, vor allem ein prächtiges barockes Kellerportal, von mehreren hundertjährigen Linden flankiert. Noch mehr mächtige Linden und Platanen, dazu eine Allee von alten Nußbäumen. Hinter dem Schlosse klettern Weinberge hügelan, vor demselben, tiefer, umschließt den Park ein Dörfchen von wenigen Häusern. Schloß Plankenbergs umgebende Natur ist anregend, abwechslungsreich, hügeliges Terrain, weite Fernsichten Wald und Feld, die von Pappeln gesäumten Landstraßen und ein ruhig fließender Bach. Die Schloßbewohner sind Herren der ganzen Umgebung. Schindler, der geborene Aristokrat, der als Jüngling bei seinem Onkel im Schlosse Leopoldskron gelebt hat, ist vom Zufall in ein Schloß zurückgeführt worden und kann mit den bescheidensten Geldmitteln ein grandseigneurales Leben führen."

So beschreibt Carl Moll den ersten Eindruck des neuen Heims, in dem Alma Schindler aufwachsen sollte (Mahler-Werfel, 15).
 

Interessen

Schon mit neun Jahren begann Alma Schindler mit der Komposition eigener Musik, sie interessierte sich für kaum etwas anderes: "Keine Jahreszahl blieb in meinem Kopf, nichts interessierte mich außer Musik." (Mahler-Werfel, 17). Die musikalische Seite ihrer Mutter mißachtend, beschreibt sie sich als "einziger Musiker im Hause" und konnte "das Meine entdecken, ohne darauf gestoßen zu werden" (Mahler-Werfel, 17). Angeregt durch ihren Vater, der ihr in jungen Jahren Goethes Faust zu lesen gab, fing sie nach seinem Tod, ermutigt auch durch Mentoren wie Max Burckhard, an, eine Bibliothek aufzubauen und z.B. Nietzsche zu lesen.