Feuchtwanger, Lion

Transkription

Zum 31. August 1949

Wir haben viel zusammen erlebt, Sie und ich, liebe und verehrte Freundin Alma, wir haben manche Gelegenheit gehabt, zu erproben, wie sich der andere im Glück und Unglück bewährte. Immer spürte man, daß hinter dem, was Sie taten und sagten, der ganze Mensch stand, stark im Hassen und Lieben. Wir waren oft verschiedener Meinung, aber immer hab ich die Spontanität [sic!] Ihres Urteils geschätzt, ja bewundert, Ihren Enthusiasmus in der Anerkennung, Ihr Temperament in der Abildung [sic!] eines Menschen, eines Werks, einer Weltanschauung. Wenn einer der Briefe kam, in denen Sie mir gleich nach dem Lesen eines meiner Bücher Ihr Urteil mitteilten, einer jener Briefe mit Ihren großen, weiten Buchstaben, dann waren mir Ihre von Herzen kommenden Worte eine liebe und wichtige Bestätigung. Ihnen das heute zu sagen und Ihnen das denkbar Glücklichste zu wünschen für die Zukunft, ist mir ein Herzensbedürfnis.

Ihr Lion Feuchtwanger

Brief: Š by Feuchtwanger Memorial Library

Kurzbiographie

Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger wurde 1884 in München geboren. Als leidenschaftlicher Gegner des Nationalsozialismus emigrierte er 1933 nach Frankreich. Nach siebenjährigem Aufenthalt an der französischen Riviera floh er in die USA, wo er bis zu seinem Tod 1958 in Los Angeles lebte und Kontakt mit anderen deutschen Exilanten, aber auch amerikanischen Künstlern pflegte. Durch die Einbeziehung der Exilproblematik in sein erzählerisches Werk wurde Lion Feuchtwanger einer der erfolgreichsten Exilschriftsteller Deutschlands.

Lion Feuchtwanger und Alma Mahler-Werfel

Lion Feuchtwanger (1884-1958) und Franz Werfel hatten sich 1937 bei der PEN-Club-Tagung in Paris kennengelernt, wo sich eine heftige politische und philosophische Auseinandersetzung zwischen den beiden entspann (Skierka, 241). Mit Alma Mahler-Werfel traf Lion Feuchtwanger erst in Sanary-sur-Mer zusammen (Feuchtwanger, 273). Dort besuchte Feuchtwanger sie oft, "aber das Beisammensein ist kaum ein ersprießliches. Von den vielen, die wir sehen, ist Feuchtwanger der weitaus interessanteste, trotzdem wir nie seiner Meinung sein konnten" , schreibt Alma Mahler-Werfel in ihren Memoiren (299). Dennoch entwickelte sich während der Zeit in Kalifornien eine Freundschaft zwischen den beiden Ehepaaren. "Vielleicht ist eine Bedeutung in ihm.", schreibt Alma Mahler-Werfel, "Er ist Kommunist und Brechts und Heinrich Manns Freund. Aber wir haben ihn gern, obgleich er oft brennt wie Salzsäure" (346).