Csokor, Franz Theodor

Transkription

Liebste Alma,

wenn Deine Freunde, die Du immer wieder zu faszinieren vermagst, an diesem Tage zurückblicken auf alles, was Du zu überwinden verstandest, müssen sie einen Sieger in Dir bewundern. Die strahlende Lebenskraft, mit der Du Dir Dich zu bewahren wusstest, gab Jenen halt, deren schöpferischem Geist Du Gefährte und Helfer wurdest. Darin erscheinst Du uns heute nichtmehr privat, sondern gehörst der Geistesgeschichte unserer Zeit an. Du hast die Schlacht um Dein Leben gewonnen, weil Du ihm auf solche Art einen Sinn gabst! Und solange man Gustav Mahlers und Franz Werfels gedenkt, also noch weit über unsere Zeit weg, bleibst auch Du hier im Licht Ihrer Werke!

So umarmt Dich
Dein alter
Franz Theodor Csokor
Griess / 20. J. 1949.
Brief: Š by Irmgard Broz-Rieder

handwritten letter from Franz Theodor Csokor

Franz Theodor Csokor (1885-1969)

Kurzbiographie

Der Schriftsteller Franz Theodor Csokor wurde 1885 in Wien geboren. Nach einem Studium der Kunstgeschichte war Csokor als Dramaturg und Regisseur und als freier Schriftsteller tätig. Wie viele andere Schriftsteller sprach er sich gegen die Kulturpolitik der Nationalisozialistischen Machthaber aus. Er emigrierte 1938 zunächst nach Polen, und daraufhin nach Rumänien, Yugoslawien und Bari, wo er für die BBC arbeitete. 1946 kehrte er nach Österreich zurück und setzte seine schriftstellerische Tätigkeit fort. Der wohl berühmteste expressionistische Dramatiker Österreichs starb 1969.

Franz Theodor Csokor und Alma Mahler-Werfel

Einige Schriftsteller waren schon in Wien häufig bei den Werfels zu Gast gewesen. Dort wurden Alma Mahler-Werfel besondere Fähigkeiten als Vermittlerin zugeschrieben, und sie hatte den Ruf, daß in ihrem Salon die besten Feste gefeiert wurden: "Alma Mahler-Werfel war als Gastgeberin berühmt, die es vor allem verstand, Menschen miteinander bekannt zu machen, die sonst nur sehr schwer zueinander gefunden hätten..." (Jungk, 197) . So trafen sich in Werfels Villa unter anderen die Schriftsteller Hermann Broch, Franz Theodor Csokor und Carl Zuckmayer, der oft Albrecht Joseph mitbrachte.

Franz Theodor Csokor hatte, wie viele andere, Österreich nach dem "Anschluß" fluchtartig verlassen und war nach Osteuropa geflüchtet. Dort beklagt er in einem Brief die Auflösung des Wiener Kreises, aber er betont auch gleichzeitig die Verbundenheit mit Menschen wie Alma und Franz Werfel (Schulenburg, 169). Csokor und Alma Mahler-Werfel schienen gut befreundet zu sein; er bewunderte sie vor allem, weil sie die Kreativität anderer so stark fördern konnte (siehe Brief). Von Kontakten zur Zeit ihres Exils ist mir nichts bekannt geworden, sie sahen sich vermutlich erst bei einem von Alma Mahler-Werfels Besuchen in Wien wieder (Mahler-Werfel, And The Bridge Is Love, 299).